„Ich krieg ´ne Krise!“ Das hat vor einiger Zeit die vierjährige Tochter einer Freundin geäußert. Meine Freundin wußte natürlich sofort, von wem sie diesen Satz hat. Vielleicht kennen Sie ihn von sich selbst auch?

Die gute Nachricht ist: wenn Sie glauben (oder meinen zu wissen), dass Sie gleich eine Krise haben werden, wird es wahrscheinlich nicht so kommen. Dies liegt an einem immanenten Merkmal der Krise: wir erkennen sie erst spät. Eine anfangs kleine Abweichung vom eigenen Weg oder Ziel, die lediglich eine überschaubare Korrektur benötigen würde, wird oft nicht wahrgenommen. Mit der Zunahme der Abweichung nimmt auch die Befürchtung zu, dass es „schlimm“ sein könnte, und Angst hindert uns, hinzuschauen. Ist die Krise schließlich manifest, ist sie bedrohlich. Verbunden mit einem Ohnmachtsgefühl bringt sie uns an die Grenze der Handlungsfähigkeit.

Die weniger gute Nachricht ist: das vermeintliche Erkennen, auf eine Krise zu zu steuern, vermeidet durch frühzeitige Aktivitäten das „Auskosten“ der Krise. Vermeidung nimmt der Krise ihren Nutzen: Entwicklung des Systems.

Eine Lösung und Entwicklung kann es dann geben, wenn es gelingt, trotz der unangenehmen Gefühle in der Krise eine realitätsnahe Deutung und Analyse vorzunehmen, die die eigenen Handlungen und Handlungsoptionen einbezieht.1

„Ich krieg ´ne Krise“ fordert uns also hinaus, die Balance zu halten: wachsames und bewusstes Wahrnehmen von Nichtpassung bei gleichzeitigem Abwarten und Vertrauen darauf, dass die Krise sich so weit entfaltet, dass wir sie nutzen können.


1 Diese Grundstruktur klingt einfach – in der Umsetzung und in der eigenen Betroffenheit ist dieser Schritt oft schwierig, von vielfachen Faktoren beeinflusst und manchmal mühsam vorstellbar. In Organisationen ist dieser Schritt nochmals komplexer, weil die Wahrnehmungen und Wirklichkeitsdeutungen zwischen den Mitgliedern ausgetauscht und geteilt werden müssen.